Ich möchte eine kleine Geschichte erzählen

Im April haben wir im Epirus in Nordwestgriechenland eine weitere Folge von „Der Geschmack Europas“ gedreht. Es waren Tage, die im Leben selten in dieser Dichte vorkommen … wir haben in der Arena der Orakelstätte von Dodoni eine Rede an die Nation gehalten, den Sirtaki getanzt und Medzovos gekocht, Pitateig gerollt, den himmlischen Musikern gelauscht, die eine auf die Antike zurückgehende Musik gespielt haben, und immer wieder Zypros, den heimischen Schnaps, verkostet.

Ich habe den Balkan durchfahren. Ich habe Menschen getroffen und ihre Geschichten gehört und ich habe mich immer wieder an Zuhause erinnert gefühlt, an die Bücher, die im Herbst im Wieser Verlag erscheinen.

Habe ich da nicht soeben Schicksale erzählt bekommen, die bei uns seit Jahrzehnten die Wunden nicht heilen ließen, wie sie im Film und in dem Buch zum Film Der Graben/Grapa erzählt werden?

„Das Böse ist überall“ könnte zwar der Übertitel über den boomenden Krimimarkt sein, aber so, wie es Silvija Hinzmann in ihrem ersten Prohaska-Fall aus Istrien erzählt, bekommt es einen Duft nach Trüffeln.

Günther Freitags geheimnisvolle Entführung der Anna Netrebko und die Hinführung zum fast vergessenen und verdrängtem Missbrauch in Sacrificium durch Franz Josef Weißenböcks Parabel auf die dunklen Seiten der katholischen Kirche, die Metamorphose von Sehnsucht, die Ulrike Renner auf ihrer Reise Wien–Vendig entwirft … wie viel Schönes und wie viel nachdenklich Machendes findet sich in diesen Werken. Lassen Sie sich darauf ein – auch und ganz besonders auf Daniel Spoerri mit seinen Fadenscheinigen Orakel.

In Dodoni, nahe Ioaninna, habe ich das vor 60 Jahren wiedergefundene Orakel besucht.
Der Wind bläst noch immer durch Eichenwipfel.
Wird es uns Neues zu weissagen haben oder wird uns die Literatur ihr Orakel weben?

Herzliche Grüße

Ihr
Lojze Wieser

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