ca. 100 Seiten, gebunden, Vor- und Nachsatz, Lesebändchen, Prägedruck
EUR 14,95 / sfr 21,00

Rumiana Ebert hat in aufblitzenden Erinnerungsbildern gerade das Flüchtige, das kaum Bewusste festgehalten.

Diese Lyrik kommt nicht aus dem Kopf, auch nicht aus dem Herzen, sondern aus den Augen, genau hinblickenden, die festhalten, was so rasend schnell vorbeizieht. Auf den ersten Blick sind es harmlose Ansichten, ein Spaziergang, eine Flugreise, ein Kinderbild, ein Blick in den Spiegel, ein leerer Bahnhofsaal. Erst in der Distanz wird die exemplarische Gültigkeit der Aussagen erkennbar.

Ihre naturwissenschaftliche Vergangenheit kann und will die Schriftstellerin Rumiana Ebert dabei nicht verleugnen Sie ist gewohnt, sich kurz und exakt zu fassen.

Rumiana Ebert, deren Muttersprache Bulgarisch ist, ist durch die deutsche Sprache zur Lyrikerin geworden. Die Distanz zur Sprache zeichnet ihre Lyrik aus.

Vertraut
Das Haus mit der bunten Fassade
das Geschäft mit der schiefen Aufschrift
der Platz mit den zwei Gitarristen
das überfüllte Lokal mit der traurigen Wirtin
die Suche nach einem Parkplatz
vertraut wie du und wie ein Rätsel
Stück Himmel deine Augen
mal heller mal dunkler

Rumiana Ebert, geboren in Plovdiv, Bulgarien, lebt in Basel. Die promovierte Chemikerin (TU München) veröffentlichte in zahlreiche Anthologien und Zeitschriften. 1992 erschien im Kastell Verlag der Gedichtband „Entgegenkommen“ und 1996 „Schnittstellen“. Daneben hat sie viele Gedichte aus dem Bulgarischen übersetzt, Essays über bulgarische Lyrik verfasst (veröffentlicht u. a. in „Akzente“, „Neue Sirene“, „Lichtungen“) sowie zwei Bücher des ermordeten bulgarischen Schriftstellers Georgi Markov übersetzt und herausgegeben (Wieser Verlag 2010 und 2011). Ihr wurden verschiedene Preise und Stipendien verliehen, zuletzt der Mannheimer Lyrikpreis 2007.

Rezensionen & Reaktionen

Pressestimmen

Literatur Regional: Rumiana Ebert veröffentlicht neuen Band Ecken und Ovale der Lyrik

Von unserem Redaktionsmitglied Tanja Capuana

Passen Naturwissenschaften und Lyrik eigentlich zusammen? Im ersten Augenblick möchte der geneigte Poesie-Anhänger diese Frage wohl eher verneinen. Der Fall von Rumiana Ebert dagegen zeigt, dass gelungene Gedichte durchaus aus der Feder einer Chemikerin stammen können. Bei der gebürtigen Bulgarin entstehen Werke, die Alltagssituationen erstaunlich treffend beschreiben. Ihre Verse verfasst Ebert in deutscher Sprache. Im Jahr 2007 gewann sie den Mannheimer Literaturpreis in der Kategorie Lyrik. Auch 1992 hatten sie schon die Räuber ’77 als Trägerin des Mannheimer Literaturpreises gewürdigt.

 

Kurze und treffende Wortwahl

Ebert hat bereits mehrere Gedichtbände und Gedichte in Anthologien veröffentlicht. Ihr aktueller Band heißt „Ecken und Ovale“. Die Gedichte hat die Autorin in vier Themenbereiche unterteilt. Wie man es bei einer promovierten Naturwissenschaftlerin nicht anders erwartet, sind die Strophen eher kurz und knapp, statt ausschweifend und poetisch gehalten. Mit ihrer rationalen Sprache gelingt es Ebert nicht nur präzise Bilder freizusetzen, sondern auch zum Nachdenken anzuregen und dabei Emotionen auszudrücken. Dinge, die zunächst banal und alltäglich erscheinen mögen, rückt Ebert mit ihrer unaufdringlichen Schreibweise in den Mittelpunkt. In dem Gedicht „Schweden“ sinniert das lyrische Ich etwa, warum es seit Jahren den Urlaub in Skandinavien verbringt. Kindheitserinnerungen werden in „Flugkontrolle“ wieder lebendig. Bedrückend wirken die Texte „Erinnerung“ und „Hellsehen“. Als Bonbon kredenzt Ebert die Kurzgeschichte „Ovale“ über den Briefwechsel zwischen den bulgarischen Cousinen Marie und Dina, die einen der Höhepunkte des Werks darstellt. Während Marie in Deutschland ein neues Leben begonnen hat, lebt Dina weiterhin in der alten Heimat. Die Frauen schätzen einander, verheimlichen aber die dunklen Seiten ihres Daseins vor der jeweils anderen.

Ebert, die an der TU München promovierte, wurde 1945 in Plowdiw geboren. Im Jahr 1966 wanderte sie nach Deutschland aus. In Heidelberg studierte sie Musikwissenschaften. Heute lebt sie in Berlin und Basel.

© Mannheimer Morgen, Samstag, 20.07.2013