Zielpunkt Europa
Von den Schluchten des Balkan und den Mühen der Ebene
590 Seiten, englische Broschur
EUR 39,00 / sfr 62,90
ISBN 978-3-85129-859-8
Zielpunkt Europa. Von den Schluchten des Balkan und den Mühen der EbeneTroubleshooter in seinem Engagement für eine Welt mit weniger Konflikten und mehr Gerechtigkeit. Das Buch dokumentiert sein Bemühen um die Befriedung des ex-jugoslawischen Raumes, sein Werben um ein geeintes Europa, geht aber weit darüber hinaus. Petritschs erfolgreicher Einsatz für die Freilassung bosnischer Guantánamo-Häftlinge ist ebenso dokumentiert wie das von Miloševic persönlich geführte Kreuzverhör im Kriegsverbrechertribunal in Den Haag oder seine im Auftrag des Oberkommandierenden der internationalen Afghanistan-Truppen durchgeführte Analyse des Konfliktes am Hindukusch.
Persönliche Reflexionen über einige der Hauptakteure am Balkan, über Opfer und Täter dieses letzten europäischen Konfliktes im 20. Jahrhundert, aber auch über Peter Handke und deren gemeinsame engere Heimat Kärnten runden das Bild eines bemerkenswerten homo politicus und streitbaren Intellektuellen ab, der mit Leidenschaft und Augenmass die brennenden Probleme unserer Zeit seziert.
Rezensionen & Reaktionen
Pressestimmen
Böse Minen, gutes Spiel
Die Presse vom 28.12.2009 | Von Janko Ferk
Eine Sammlung von Aufsätzen, Reden und Dokumenten des österreichischen Spitzendiplomaten Wolfgang Petritsch.
„Sisyphos“ Petritsch verliert langsam die Geduld mit dem Balkan
Utl.: Sammlung von Aufsätzen aus den Jahren 2002 bis 2009
veröffentlicht
(Von Stefan Vospernik/APA) =
Wien (APA) – Es geht ja doch etwas weiter auf dem Balkan, auch wenn man dafür erst den halben Erdball umrunden muss. So berichtet der frühere Bosnien-Beauftragte Wolfgang Petritsch in seinem jüngsten Buch, wie ihm serbische, kroatische und muslimische Angehörige eines bosnischen Armeekontingents „nachgerade enthusiastisch“ von ihrem friedlichen Zusammenleben berichtet hätten. Ort des Geschehens: Afghanistan.
Petritsch hatte das Land am Hindukusch im Jahr 2006 besucht, um auf Einladung des NATO-Kommandanten einen Bericht über die weitere internationale Afghanistan-Strategie zu verfassen. Der konflikterfahrene Diplomat schlug damals vor, was mittlerweile in keiner Strategie zur Befriedung des zentralasiatischen Krisenstaates fehlen darf: Eine massive Truppenaufstockung sowie eine stärkere Einbindung der vorhandenen lokalen Strukturen beim Aufbau der Demokratie.
Petritsch‘ Afghanistan-Bericht bildet den Schlusspunkt der 600 Seiten dicken Aufsatzsammlung „Zielpunkt Europa. Von den Schluchten des Balkan und den Mühen der Ebene“, die Texte aus den Jahren 2001 bis 2009 vereint und einen Querschnitt durch das bisherige Wirken des angesehenen österreichischen Diplomaten bietet. Doch das Buch erschöpft sich nicht in einem „Tour d’Horizon“ durch aktuelle politische Fragen (Irak-Krieg, Anti-Terror-Kampf, Nahost-Konflikt, Reform der Europäischen Union, Abrüstung), es wartet auch mit biografischen Skizzen unter anderem zu Slobodan Milosevic oder Bruno Kreisky auf und enthält auch eine berührende Schilderung von Petritsch‘ Jugend im zweisprachigen Südkärnten.
Während der titelgebende „Zielpunkt Europa“ unerreicht bleibt und Petritsch in seinen diesbezüglichen Beiträgen die ausgetretenen Pfade der EU-Reformdebatte kaum verlässt, lesen sich die Passagen zum Balkan ganz anders. Man merkt, dass Petritsch die Region, in der er schon seit sieben Jahren nicht mehr als Diplomat tätig ist, nicht loslässt. Da können den sonst so sorgsam abwägenden Diplomaten auch Details wie die Blattlinie kroatischer Zeitungen in Rage versetzen. Es sei ein „unglaublicher Skandal“, dass gegen das Haager UNO-Tribunal Stimmung machende „Hetzblätter“ in österreichischem Besitz seien, ereifert er sich. „So sieht die Beteiligung an einer aufzubauenden Zivilgesellschaft aus. Es scheint nur um das schnelle Geld zu gehen.“
Oder die Schilderung der dramatischen Stunden vor Beginn der NATO-Luftangriffe gegen Serbien im März 1999, als der damalige EU-Kosovo-Beauftragte sogar den serbenfreundlichen Schriftsteller Peter Handke bemühte, um dem störrischen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic zum Einlenken zu bewegen. Sein Kreuzverhör durch Milosevic vor dem Haager UNO-Tribunal im Jahr 2002, das im Anhang des Buches im Wortlaut abgedruckt ist, bezeichnet Petritsch als eine der „unangenehmsten Begegnungen überhaupt“.
Petritsch‘ Herzblut hängt vor allem an Bosnien-Herzegowina, das er als „gütiger Quasi-Diktator“ in den Jahren 1999 bis 2002 regierte. Zeichnete er kurz nach seinem Abschied aus Sarajevo noch ein positives Bild der Lage im Balkan-Staat, in dem „Demokratie und gesellschaftlicher Wandel kein Fremdwort mehr“ seien, verdüsterte sich diese Einschätzung später immer mehr. So schrieb er im Vorjahr, dass es „leider keine sehr großen Fortschritte“ gegeben habe und Bosnien „auf viele Jahre hinaus ein fragiler Staat bleiben“ werde.
In einem Anfang 2009 veröffentlichten Artikel verortete er Bosnien gar hinter Afghanistan, zumindest was die Bürokratie bei der Unternehmensgründung betrifft. „Offen gesagt schreit es zum Himmel, wie in diesem geschundenen Land immer noch Politik betrieben wird und wie weit man etwas von der Erfüllung der EU-Stabilitäts- und Assoziierungskriterien entfernt ist“, beklagt Petritsch die anhaltenden Streitereien zwischen den drei Volksgruppen.
„Den Balkan sollte man ohne robuste psychische Konstitution und ohne Camus‘ Sisyphos im Gepäck besser nicht als seinen Arbeitsort wählen“, heißt es in einem Vortrag Petritsch‘ aus dem Jahr 2002. Doch auch der langjährige Balkan-Versteher scheint angesichts drängender internationaler Probleme wie der Wirtschaftskrise, des Klimawandels und Krisenherden vom Schlage Afghanistans langsam die Geduld mit den „Streithansln“ im Vorhof der EU zu verlieren.
Gespräch 1, Mo., 22. März 2010, 19 Uhr
AUGENZEUGE WOLFGANG PETRITSCH IM GESPRÄCH
– Status Quo Ex-Jugoslawiens und die Lage auf dem Balkan Was hat zum gewaltsamen Ausbruch der politischen und ethnischen Spannungen auf dem Balkan geführt, wer waren die Hauptakteure, wie hätte das Debakel verhindert werden können, wie sehen die Experten die Lage heute?
Dr. Wolfgang Petritsch ist Außenpolitikexperte mit dem Schwerpunkt Südosteuropa, aus der Kärntner-Slowenischen Minderheit stammend, ist Historiker, führender SPÖ-Politiker, Diplomat und Balkanexperte. Er ist derzeit Botschafter in Paris, war Sonderbeauftragter im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina 1989 sowie Botschafter in Belgrad. Er nahm u.a. an den Dayton-Verhandlungen und in Rambouilleé teil.
Biographie: Botschafter Dr. Wolfgang Petritsch studierte Geschichte, Germanistik, Politikwissenschaft und Recht an der Universität Wien, an der er 1972 promovierte. Von 1977 bis 1983 war er Sekretär von Bundeskanzler Bruno Kreisky. Während seiner Zeit als österreichischer Botschafter in Belgrad (1997 bis 1999) wurde er zum EU-Sonderbeauftragten für den Kosovo ernannt. Als solches war er 1999 EU-Chefverhandler bei den Friedensverhandlungen von Rambouillet und Paris. Als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina (1999 bis 2002) leitete er die zivile Implementation des Friedensvertrags von Dayton. Bei der Nationalratswahl 2002 kandidierte er für die SPÖ und wäre im Falle eines Wahlsieges als Außenminister vorgesehen gewesen. Bereits vor dem Wahlgang wurde er zum österreichischen Botschafter bei den Vereinten Nationen in Genf ernannt, auf dessen Posten er bis Anfang 2008 wieder zurückkehrte. 2007 wurde Petritsch im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit dem Europäischen Menschenrechtspreis ausgezeichnet, seit 2008 ist er der Leiter der ständigen Vertretung Österreichs bei der OECD in Paris.
Moderatoren: Radovan Grahovac & Peter Kreisky Anschließend Kroatisches Büffet und Live Musik.