ca. 850 Seiten, 3-Fach-Band, gebunden, Lesebändchen, Prägedruck
Ins Neuhochdeutsche übertragen von Franz Viktor Spechtler
EUR 44,85

Mit seiner komplexen Sinnstruktur und der aufwendigen erzählerischen Komposition ist der Parzival keine ‚leichte Lektüre‘, dennoch kann dem Werk mit über 80 überlieferten Textzeugnissen eine einzigartige Wirkungsgeschichte im Mittelalter nachgesagt werden. Wolfram von Eschenbach verarbeitet alle geläufigen Problemstellungen seiner literarischen Epoche – teilweise kritisch ironisierend, teilweise für seine Zeit neuartig zuspitzend; dem Roman kommt damit exemplarische Bedeutung für die Themenkomplexe der höfischen Literatur insgesamt zu.

Der Autor verfolgt parallel zum Hauptgeschehen um Parzival eine Vielzahl von weiteren Handlungssträngen. In immer neuen ‚Würfelwürfen‘ (schanzen – Metapher Wolframs im Prolog des Parzival in Bezug auf sein eigenes narratives Verfahren) spielt er die politischen, gesellschaftlichen und religiösen Probleme, vor die sich Parzival gestellt sieht, mit anderen Protagonisten durch und entfaltet die Romanhandlung so zu einer umfassenden Anthropologie.

Wolfram selbst war sich dessen bewusst, dass seine oft sprunghafte, bildreich assoziierende Erzählweise neu und ungewöhnlich war; er vergleicht sie mit dem ‚Hakenschlagen eines Hasen auf der Flucht vor Ignoranten‘.

Der Parzival folgt einer Doppelromanstruktur mit einem langen Prolog. Nach den ersten beiden Büchern, die sich der Vorgeschichte der Haupthandlung widmen, also den Abenteuern Gahmurets, Parzivals Vater, beginnt Wolfram von der Kindheit seines Protagonisten zu erzählen. Es folgt später der Wechsel zur Gawan-Handlung, die durch den Besuch Parzivals beim Einsiedler Trevrizent unterbrochen und anschließend wieder aufgenommen wird. Der Inhalt der beiden letzten Bücher ist Parzival gewidmet.

Hauptquelle des Parzival ist der unvollendete Versroman Perceval le Gallois ou le conte du Graal/Li contes del Graal von Chrétien de Troyes, entstanden zwischen 1180 und 1190. Wolfram selbst distanziert sich im Epilog überraschend von Chrétien, nennt dagegen mehrfach das Werk eines gewissen ‚Kyot‘ als Vorlage und versieht diese auch noch mit einer abenteuerlichen Entstehungsgeschichte. Da aber ein solcher ‚Kyot‘ außerhalb von Wolframs Dichtung nicht identifiziert werden konnte, sind diese Angaben eher als literarische Koketterie des Autors und Kyot als Quellenfiktion einzuordnen.

Peter Handke meinte einmal in einem Gespräch, dass Parzival wohl der wichtigste Roman der Weltliteratur sei und er sich freuen würde, wenn er für den heutigen Gebrauch neu übersetzt vorliegen würde.

Umschlagbild: Wolfram von Eschenbach in der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse, Cod. Pal. germ. 848), Zürich, ca. 1300 bis ca. 1340, Online-Ansicht Universitätsbibliothek Heidelberg

Franz Viktor Spechtler ist Professor für Ältere Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Salzburg und Spezialist für mittelhochdeutsche Dichtung Österreichs. Er habilitierte mit einer Arbeit zu Ulrich von Liechtenstein und transkribierte dessen Dichtungen »Frauendienst« und »Frauenbuch«. Spechtler ist Verfasser zahlreicher Monographien und Aufsätze zu verschiedenen mediävistischen Themen. Bei Wieser erschienen: Ulrich von Liechtenstein (2000), Walther von der Vogelweide (2003), Mönch von Salzburg (2004); ferner gemeinsam mit Barbara Maier: Ich – Ulrich von Liechtenstein. Literatur und Politik im Mittelalter (1999), Oswald von Wolkenstein (2007), Neidhard, der freche Dichter aus Österreich (2013).