Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens · Band 20.4
EUR 24,90

In bisherigen Beiträgen des Verfassers zu dieser Enzyklopädie wurden zwar kursorisch das Entstehen der Slawenkunde behandelt, jedoch die Umstände der Herausbildung besonderer Erscheinungsformen einer zunächst sprachlichen und kulturellen, schließlich ideologisch-weltanschaulichen, gewissermaßen pränationalen Identitätssuche in Gestalt von Panslawismen durch Gelehrte, Politiker, Publizisten, Schriftsteller und andere meist intellektuelle Vertreter slawischer Bevölkerungen und Bewegungen nur angedeutet. Deshalb werden nun im vorliegenden Band 20.4 der Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens die Entstehungen panslawischer Vorstellungen und Zielsetzungen im 19. Jahrhundert gesondert dargestellt.

Im Zusammenhang mit der Herausbildung der Slawenkunde in einigen zum Teil schon eigenständig entstehenden wissenschaftlichen Disziplinen und mit bestimmten geschichtlich-gesellschaftlichen Umständen und besonderen kulturellen Bewegungen entstanden im 19. Jahrhundert in einigen osteuropäischen Regionen verschiedene Panslawismen: der Austroslawismus und der Illyrismus in der habsburgisch-österreichischen Monarchie, der polnische Messianismus im durch Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen und der großrussische Panslawismus im zarischen Reich, der sich auch als eine Art europäischer Sendung mit globalem messianischem Anspruch und Auftrag verstand.

Die hier behandelten Panslawismen sind in ihrer Entstehung, Dauer und Wirkung politisch und kulturell nur bedingt oder kaum vergleichbar. Gemeinsam war ihnen lediglich der wiederum höchst unterschiedlich begründete Anspruch, pan-, all-slawisch zu sein, also slawische Bevölkerungen und deren Identitäten zu repräsentieren und deren Interessen in bestimmten europäischen Regionen kulturell, rechtlich und politisch zu vertreten. Gemeinsam war ihnen ein anmaßendes Sendungsbewusstsein, dies als jeweils einzige mit einem ethnisch fragwürdig, sprach- und kulturwissenschaftlich elitären, teilweise restriktiv-religiös, quasi-philosophisch oder sonstwie „begründeten“ Anspruch zu tun.

Wolfgang Geier: Geboren 1937, Dr. phil. habil., Kulturhistoriker, Kultursoziologe; kulturwissenschaftliche Forschung und Lehre bis 2000 an der Universität Leipzig, von 2000 bis 2014 Gastprofessur an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt; seit 1995 sechs Monographien zu Themen der vergleichenden Kulturgeschichte osteuropäischer Regionen im Harrassowitz Verlag (Wiesbaden) sowie mit diesem Band fünf Beiträge zur Wieser Enzyklopädie des Europäischen Ostens (Klagenfurt/Celovec), zahlreiche weitere Veröffentlichungen, so in bisher elf Tagungsbänden der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften (gegr. 1754) zu Erfurt; Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte.