Stadtroman
Aus dem Ungarischen übersetzt von Christina Kunze
ca. 300 Seiten, gebunden, Lesebändchen
EUR 21,00

1748 verbündeten sich die Deutschen, Serben, Ungarn, Juden, Armenier und die anderen hier lebenden Nationalitäten, sie kratzten ihre Ersparnisse zusammen, nahmen einen Bankkredit auf und fuhren mit den Unmengen an Geldscheinen nach Wien, um von der Kaiserin Maria Theresia den Titel einer Königlichen Freistadt zu kaufen. Die Kaiserin fragte sie nach dem Namen ihrer Stadt, worauf die Gründungsväter zerknirscht bekennen mussten, dass sie noch gar keinen Namen hatte. Sie baten Ihre Majestät, Namensgeberin ihrer Stadt zu sein. Die Kaiserin nahm ihre goldene Feder und schrieb in Zierschrift auf die lateinischsprachige Gründungsurkunde: Ihr Name sei Neoplanta, aber jedes Volk soll sie in seiner eigenen Sprache benennen. Sie sollen in Frieden leben, einander lieben, und die multinationale Stadt soll ein Beispiel dafür sein, wie mehrere Nationen verträglich miteinander auskommen können. Über 250 Jahre sind vergangen. Die Völker von Neoplanta – also Novi Sad – morden einander seither unablässig. Darüber erzählt dem ungarischen Schriftsteller der serbische Fiaker Lazo Pavletić.

Ich werde Parteimitglied, berichtete er seiner Frau, nachdem er das Gebäck aus dem Beutel genommen hatte. Wie bitte?, fragte diese und sah verwundert auf. Der Hoteldirektor hatte ihnen mitgeteilt, dass Genosse Tito sich nach Karađorđevo begeben wolle und auf dem Weg im Hotel Stern einkehren würde. Zugleich hatte er angekündigt, die Genossen hätten entschieden, dass er, also Alajos Sólyom, Marschall Tito und seine engen Mitarbeiter bedienen solle. Es gebe aber ein Problem, deutete der Direktor an, einen winzigen Schönheitsfehler, denn man könne nun wirklich nicht zulassen, dass der Genosse von einem Parteilosen bedient werde. Er müsse sofort in den kommunistischen Bund eintreten.

László Végel: Geboren 1941 in Srbobran in der jugoslawischen Wojwodina als Angehöriger der ungarischen Minderheit. Studium in Novi Sad sowie in Belgrad, arbeitete als Journalist, Autor von Drehbüchern, Bühnenstücken, Essays und Romanen. Als episches Hauptwerk gilt seine Újvidéki trilógia (1993; dt.: Neusatz-Trilogie) mit den Bänden Egy makro emlékiratai (1967; dt. Memoiren eines Zuhälters), Àttüntetések (1984; dt.: Überblicke) und Eckhart gyűrűje (1989; dt.: Eckharts Ring).

Christina Kunze: Geboren in Berlin, studierte Hungarologie und Klassische Philologie, übersetzt seit 1996 aus dem Ungarischen, Autoren unter anderem: Sándor Márai, Kriszta Bódis, Sándor Zsigmond Papp, Edina Szvoren.