Roman
ca. 200 Seiten, gebunden, Vor- und Nachsatz,
Lesebändchen, Prägedruck
Aus dem Bulgarischen übersetzt von Ines Sebesta
EUR 18,80 / sfr 32,00

Über das Buch:

Nach eigenen abstrusen Gesetzen lebt eine Gruppe deklassierter exotischer Balkancowboys in einem Wald in Bulgarien als Köhlerkommune. Ein Serbe, ein Makedonier, ein Rom, ein Pomake, ein Bulgare, eine Traumblondine aus Russland und der arbeitslose Journalist Angel, gejagt von den Stiernacken, die die Ebene beherrschen. Ein Mikromodell des Balkans mit Helden, die nicht in ein Gut-Böse-Raster passen wollen. Schlüsselthemen dieser Region — Emigration, Drogen, Einsamkeit, Unglaube, Korruption, Gewalt, Manipulation der Presse, das gleichgültige Europa – werden spannend, humor- und gefühlvoll aufgerollt. Tonevs Buch erinnert nicht nur durch seinen Titel an den Paul-Newman-Westernklassiker Man nannte ihn Hombre. Es ist dieser leidenschaftliche Appell an die Gerechtigkeit in einer von Gefühllosen und Mächtigen dominierten Welt, was die beiden Werke verbindet.

Sowohl in Bulgarien als auch in Italien, wo Ombre 2004 erschien, wurde Tonevs Roman begeistert aufgenommen, besonders von den Jüngeren. Auf der Berlinale 2006 wählte eine Jury unter dreihundert literarischen Werken Ombre als eines der drei Bücher aus, die sich am besten als Drehbuchvorlage eignen.

Aus dem Buch
— Hör mir jetzt mal zu, Junge! Dass du von Geld redest, wenn du um Hilfe bittest, ich hab keine Ahnung, wo sie dir das beigebracht haben. Bei uns gibt es so etwas nicht, dass dir das klar ist!
Es klang mir sehr demonstrativ und aufgeblasen, doch ich schwieg dazu. Ich konnte auch nicht ahnen, was folgen würde …
— Für das Benzin hast du nichts zu zahlen — fuhr Johann fort. — Aber — seine Augen blitzten schlau — wenn du so sehr darauf bestehst, kein Schuldner zu sein, kannst du hier bei der einen oder anderen Arbeit helfen, quasi als Kompensation … Geht das?
Ich sah mir die Männer ringsumher an, um zu verstehen, ob er mich vorführte oder es ernst damit meinte. Alle mampften äußerst konzentriert, und mir schwante etwas. Scheißegal, sagte ich mir dann.
— Klar geht das, warum auch nicht — sagte ich laut.

Emil Tonev wurde 1964 in Sipka, einer Kleinstadt am Südrand des Balkangebirges, geboren. Vom Gymnasium flog er mit sechzehn, weil er sich der Schuluniform widersetzte. Jahre auf dem Bau folgten sowie das Abitur an der Abendschule. Während seines Philologie-Studiums schrieb er die ersten Erzählungen in seinem Nebenjob als Nachtwächter — sie wurden prompt in der Unizeitung veröffentlicht. 1991 wurde Tonev Journalist und Redakteur für verschiedene Printmedien Bulgariens, 2004 Chefredakteur der Zeitschrift »Edna sedmica v Sofia«, 2006 Chef- redakteur der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift »Paraleli«.

1993 erschienen seine ersten Bücher — die Gedichtsammlung Die Farben des Waltraumes sowie der Roman Grenze. Der gleichnamige Film entstand als französisch-bulgarische Koproduktion und wurde mit mehreren nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Drei weitere Drehbücher wurden in den neunziger Jahren verfilmt, in seiner Telenovela Sombrero Blues (1998) übernahm er eine Hauptrolle. Als Dramaturg und Regisseur des Stückes Der Dummkopf auf dem Hügel machte er sich auch in der Theaterszene einen Namen. Emil Tonev lebt in Sofia. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.

Zur Übersetzerin
Nach Abschluss ihres Gartenbaustudiums in Bulgarien begann Ines Sebesta nebenberuflich zu dolmetschen und zu übersetzen. Seit 2001 ist sie als freie Übersetzerin, Publizistin und Reiseleiterin tätig. Im Wieser Verlag bisher erschienen: die Übersetzung Ein Haus jenseits der Welt (Georgi Danailov, 2007) und in der Reihe »Europa erlesen« Nackte Unterhaltung. Saunageschichten (2005). Ines Sebesta hat zwei Töchter und lebt am Rand Berlins.

Rezensionen & Reaktionen

Pressestimmen

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»Western, Action und antike Tragödie streiten noch, in welches Genre Ombre gehört — in Wirklichkeit ist es eine zutiefst menschliche Parabel von der Suche nach der Wahrheit, in welcher der Hauptheld Ombre, ein Forest Gump des Balkans, seine zerbrechliche Stimme gegen die Gewalt erhebt.«
Literaturkritiker Georgi Cankov

Die Zustände im heimatlichen Bulgarien lassen den vagabundierenden Journalisten Angel den Entschluss fassen, sein Glück im Westen zu versuchen. Wie es sich für einen Roman gehört, geht der Plan schief. Er landet bei einer Gruppe, die eine Existenznische gefunden hat, indem sie Holzkohle herstellt. Sie lebt in einer brüchigen Siedlung, nahe dem Wald.

Der Titel dieses Romans klingt nicht nur nach Western, er zitiert sogar einen: „Man nannte ihn Hombre“ von Martin Ritt (1967) gehört zu den Klassikern des Genres, und der Autor dieses Romans greift durchaus Motive jener Filmgeschichte auf. Eine nicht sehr große Gruppe von Menschen, die sich in misslichen Umständen behaupten müssen und deren Zusammenhalt schließlich zerbricht, Schießereien, die Nicht-Zugehörigkeit des Helden zur Gruppe, eine attraktive, dabei rätselhafte Frau, all das sind Konstellationen, die sowohl den Film als auch den Roman durchziehen.

Natürlich stutzt man bei der Schreibweise. Wieso „Ombre“ und nicht „Hombre“? Der Autor selbst liefert einen deutlichen Hinweis. Denn sein Held und Ich-Erzähler Angel ist eigentlich so gut wie auf dem Weg nach Paris, Frankreich. Die miesen Zustände im heimatlichen Bulgarien und das Drängen seiner Schwester, die bereits in Paris lebt, lassen den freien oder auch vagabundierenden Journalisten 1997 den Entschluss fassen, die Balkan-Misere zu verlassen und sein Glück im Westen zu versuchen. Nur noch ein kleines Drogengeschäft muss er abwickeln, um das nötige Start- und Reisegeld schnell beisammen zu haben. Wie es sich gehört, geht der Plan in allerletzter Minute durch einen Zufall schief, nach einer Schießerei mit den örtlichen Mafia-Chargen muss Angel fliehen – ohne Ware, ohne Geld.

Die ihn retten, schließlich für längere Zeit aufnehmen, sind die eigentlichen Protagonisten des Romans. Ein westliches Verständnis würde sie wohl „Aussteiger“ nennen, in Wahrheit sind sie Ausgeworfene. Ausgeworfen von den politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen der 90er Jahre auf dem Balkan, haben die Mitglieder dieser Gruppe eine Existenznische gefunden, indem sie Holzkohle herstellen und verkaufen. Sie leben im Abseits, in einer primitiven und brüchigen Siedlung, nahe bei ihrem Arbeitsgegenstand, dem Wald. Statt in Paris ist Angel in einer Welt gelandet, die im Schatten liegt und von Schattenwesen bewohnt wird, auf die das Licht der Aufmerksamkeit kaum je fällt (ombre – frz.: Schatten).

Mit großem erzählerischen Geschick beschreibt Tonev einerseits die unmittelbaren Lebensumstände in dieser Gruppe, die zwar durch einige eiserne Regeln und eine unangefochtene Autoritätsperson zusammengehalten wird, die aber zugleich auf Grund ihrer Heterogenität immer wieder Bruchstellen, Konflikte, Auseinandersetzungen zum Vorschein bringt oder provoziert. Exkurse in die bewegten Biografien dieser Personen blenden, andererseits, den historischen Hintergrund des Geschehens ein – vom Jugoslawien-Konflikt bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion. Und schließlich vollendet der Autor seine Geschichte ganz in der Manier eines spannenden und tragischen Western: vom Tod gestreift, von Verlusten betroffen, aber gereift, zieht der Held von dannen, um seine Geschichte aufzuschreiben.

Rezensiert von Gregor Ziolkowski (Deutschlandradio Kultur, 23. 10. 08)

 

Deutschlandradio Kultur 23.10.2008

Welt im Schatten

Emil Tonev: „Man nannte ihn Ombre“, Wieser Verlag, Klagenfurt 2008

 

Die Zustände im heimatlichen Bulgarien lassen den vagabundierenden Journalisten Angel den Entschluss fassen, sein Glück im Westen zu versuchen. Wie es sich für einen Roman gehört, geht der Plan schief. Er landet bei einer Gruppe, die eine Existenznische gefunden hat, indem sie Holzkohle herstellt. Sie lebt in einer brüchigen Siedlung, nahe dem Wald.

Den vollständigen Artikel erreichen Sie im Internet unter der URL

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/864381/