Roman
Aus dem Rumänischen von Ingrid Baltag
ca. 250 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
EUR 21,00 / 35,50

Zum Buch:

Eine osteuropäische Schönheit betritt ein Pariser Café. Was versteckt sich hinter der geheimnisvollen Aura der unechten Blondine, die der Schauspiellegende der Zwischenkriegszeit Elvire Popesco so ähnlich sieht? Und warum musste sie sterben? Was in Berlin als menage a trois begann und in Paris tragisch endet, ist nicht nur eine persönliche Tragödie. Tsepeneag erzählt eine Geschichte von Sex and Crime und zeichnet zugleich ein subtil humorvolles Bild unseres neuen vereinten Europas. Verschiedenste Mentalitäten, Klischeevorstellungen und nationale Stereotype prallen aufeinander. Die skurril und rätselhaft erzählte Geschichte gespickt mit Film- und Literaturreminiszenzen kommt wie ein Krimi daher. Der Autor Tsepeneag erweist sich einmal mehr als Meister, uns die Enge der Gedanken vorzuführen und plädiert mit seinem Buch dafür, den Kopf von Idyllen, Klischees und Ideologien frei zu machen.

Aus dem Buch:

Johannes war nicht viel älter als sie, wahrscheinlich war er gar nicht älter. Schwer zu sagen, wie alt diese mysteriöse Frau war, die von der Mündung der Donau stammte! … Die Anziehungskraft, die sie auf Männer ausübte, verdankte sie auch einer gewissen Zweideutigkeit. Sie kultivierte sie oder sie gefiel sich nur in dieser Unbestimmtheit, die sicherlich auch mit ihrer Herkunft zusammenhing. Johannes lächelte und biss sich auf die Lippen. Er mochte keine Anstrengung und wollte keine Haarspalterei treiben. Wozu denn? Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Er nahm seine Füße aus den Hausschuhen heraus.

Dumitru Tsepeneag, geboren am 14. Februar 1937 in Bukarest. In den 60er Jahren ist er der theoretische Kopf der literarischen Gruppe des Onirismus,
einer ästhetisch autonomen Literaturkonzeption. Literatur bildet demnach nicht die Wirklichkeit ab, sie schafft Parallelwelten, nach dem Konstruktionsprinzip der Traumarbeit. 1968 veröffentlicht er programmatische Schriften, die bald zum Verbot der Gruppe durch das diktatorische Regime Ceausescus führen wird. Während eines Studienaufenthalts in Paris 1971 und 1972 kritisiert er offen die Politik Ceausescus, was dazu führt, dass sein Erzählungsband Aiteptare (dt. Warten) vom Markt zurückgezogen wird. 1975 wird ihm die rumänische Staatsbürgerschaft per Dekret entzogen und er bleibt in Frankreich bis 1984 staatenlos. Sein Tagebuch Un romän la Paris (1997) (dt. Ein Rumäne in Paris) gehört zu den wichtigsten Werken der Aufarbeitung von Exilerfahrung. Als Pariser Exilschriftsteller schreibt er zunächst auf Rumänisch, geht dann über zum Französischen, ein Prozess, der in seinem Schreitagebuch Le mot sablier dokumentiert ist. Die Rückkehr im Dezember 1989 nach Rumänien nach langen Jahren des Exils bildet den autobiographischen Hintergrund der schelmenhaften Romantrilogie Hotel Europa, Pont des arts und Maramures. Hotel Europa ist 1998 in deutscher Übersetzung erschienen.

Zur Übersetzerin:
Ingrid Baltag
, geboren 1968 in Bukarest, lebt seit 1982 in der BRD und unterrichtet rumänische Sprache und Kultur an der Humboldt-Universität Berlin. Zusammen mit Paul Baiersdorf hat sie den Band »Wege zwischen Rumänien und Berlin« (2004) verfasst.

Rezensionen & Reaktionen

Pressestimmen

Spiel mit Identitäten

„La belle Roumaine“ von Dimitru Tsepeneag gibt sich geheimnisvoll und verzaubert alle Männer

Ob Mehmet, Dieter, Johannes, Igor oder Mihai – mit allen geht sie ins Bett. Und Jean-Jacques träumt zumindest häufig davon, es mit ihr zu tun. Auch auf Wolfgang und den Engländer wirkt sie außerordentlich anziehend. Doch wer ist die geheimnisvolle Schöne, die sich mal Ana, mal Hannah, mal Aneta nennt? Ist sie wirklich Ärztin oder vielmehr Prostituierte oder aber in geheimem Auftrag unterwegs in Europa? Sicher ist, dass sie aus Rumänien kommt, aus einem exotisch anmutenden Land, das ihre Rätselhaftigkeit noch unterstreicht. Rumänien ist nicht Russland, wo man Wodka trinkt und woher Igor, der Bibliothekar und KGB-ler stammt, der diesem Wässerchen stets munter zuspricht, ohne betrunken zu werden. Das stellt sein französischer Freund Jean-Jacques fest, der in Paris ein Café betreibt, in das die Frau, die alle Männer betört, seit einiger Zeit regelmäßig einkehrt.

Erotik und Verbrechen durchziehen den ganzen Roman, der gleichsam europäische Räume und Mentalitäten, Geschichte und Gegenwart einfängt. Die Handlung trägt sich in Frankreich und Deutschland zu, Erinnerungen führen nach Rumänien, Polen, Tschechien, Italien, in die beiden deutschen Staaten. Der Autor präsentiert einen Reigen von Nationalitäten und spielt mit den Personen als Prototypen ihrer Kultur.

In den Dialogen mit den Liebhabern, darunter den deutschen Philosophieprofessoren Dieter und Johannes, gibt die weibliche Hauptfigur nach und nach partiell und dabei widersprüchlich Details aus ihrem Leben preis. In Rückblenden auf Kindheit und Familienbande wird die rumänische Geschichte des 20. Jahrhunderts in Ausschnitten reflektiert. Ihr leiblicher Vater verschwand, der Ziehvater gab ihr den jüdischen Namen und kam in Auschwitz um. Die Mutter starb in kommunistischer Zeit im Krankenhaus ohne priesterlichen Beistand. Die Vergangenheit holt die Frau schließlich wieder ein, als sie vorgeblich bei einem Überfall in Paris attackiert und beschimpft wird.

In den geschilderten Begebenheiten, die mitunter aus der Sicht verschiedener Personen erzählt werden, verschmelzen Realität und Traum. Das Geschehen erscheint facettenhaft und widerspruchsvoll. Dimitru Tsepeneag, geboren 1937 in Bukarest, war in den 1960er-Jahren Mitbegründer des Oneirismus-Konzepts und der bis 1971 bestehenden oneirischen Gruppe in Rumänien. Er bleibt in diesem Roman dem Konzept von damals treu, denn „den Traum kann man nicht erzählen, er muss dargestellt, rekonstruiert, geschrieben, wiedergeschrieben werden“. Und so entstehen erzählerische Varianten von Episoden und Erinnerungen, die immer wieder neue Details offenbaren. Vieles bleibt vage und der interpretatorischen Fantasie des Lesers überlassen. Dahinter steckt gleichsam die Erörterung, wie, warum und woran man sich erinnert und welche Rolle das Unterbewusste und die Verdrängung in diesem Zusammenhang spielen.

Ein kleines, unter dem Bett verstecktes Aufnahmegerät nimmt nicht etwa die Gespräche der jeweiligen Liebespaare auf, sondern die Geräusche der Liebesspiele. Denn mit dem Untergang des Systems im östlichen Europa sind Spione wohl ohne Führung und Auftrag.

Der Übersetzung von Ingrid Baltag hätte die Durchsicht eines Lektor ganz gut getan. Stellenweise erscheint der Text holprig, nicht immer sind Ausdruck und Stilebene adäquat.

Von Anke Pfeifer

http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=13082