ca. 200 Seiten, gebunden, Lesebändchen
EUR 21,00 / sfr 36,50
ISBN 978-3-85129-896-3

Adam Zielinski macht ein Schtetl zum Helden, gelegen irgendwo im ostpolnischen Galizien. In unglaublicher Vielfalt zeigt er das dortige jüdische Leben, gezeichnet durch einen erfrischenden, stets sich selbst, aber auch die Umgebung ironisierenden Humor.

Mit den Geschichten aus dem Schtetl lässt Zielinski eine ausgelöschte Welt auferstehen. Der Autor konfrontiert den Leser mit dem Schicksal einer jüdischen Gemeinde nach dem Tod von Józef Klemens Pilsudski 1935, jener Zeit noch vor dem Holocaust. Was war das für eine Welt, die durch den Zweiten Weltkrieg spurlos verschwunden ist? Die Geschichten aus dem Schtetl erzählen von der Vielfalt, der Spezifik und den Besonderheiten in der Pflege der Tradition. Sie zeugen von der Zähigkeit, nicht unterzugehen, und von dem einfallsreichen Umgang mit der unfreundlichen nichtjüdischen Umgebung.

Die Liebe und unermesslicher Hass, die Religiosität, aber auch der Atheismus, das Gute und das Schlechte, der grelle Tanz auf dem Vulkan kurz vor der großen Katastrophe, die man ahnt und ihr Kommen mit dem Gefühl unermesslicher Ratlosigkeit erwartet, aber nichts dagegen unternehmen kann…

»Nun? Welche Mitgift stellen Sie sich vor, liebster Doktorleben?«, fragte Ryfkies Vater. Der Bräutigam war um eine Antwort nicht verlegen, schließlich war er Advokat: »Habt Ihr, Reb Mondschein, eine Ahnung, was ich für eine Mesalliance eingehe, indem ich Eure Tochter heirate? Ich erwarte mir fünfzehntausend Dollar.«

»Mit Verlaub, Herr Doktorleben« – der alte Rabauke wusste die richtige Antwort: »Für einen solchen Betrag kauft man heute ganz Polen.«

»Wenn das so ist, soll Polen in Eure Familie hineinheiraten. Ich nicht!«

»Ihr seid meschugge, Doktorleben! Ihr glaubt, Ihr habt es mit einem Deppen zu tun! Bedenkt doch: Ihr bekommt die beste Köchin im Schtetl, garantiert Jungfrau. Sie wird Ihnen dienen wie ein Hund, weil ihre Mutter – sie möge ewige Ruhe genießen – ihr das beste Beispiel gab und jeden Tag aufs Neue zeigte, wie man zum eigenen Mann steht. Wie die Mutter, so die Tochter.«

»Ich habe gesagt: fünfzehntausend – und damit Ihr es wisst: Ich habe einen starken Charakter.«

»Chuzpe habt Ihr!«

Adam Zielinski, 1929 im damals polnischen und heute ukrainischen Drohobycz geboren und im nahen Stryj aufgewachsen, hat in Krakau und Warschau studiert und ist 1957 nach Österreich emigriert, wo er lange Zeit erfolgreich als Geschäftsmann tätig war. Als Schriftsteller ist er ein Spätberufener – mit sechzig erschien sein erster Roman.

Rezensionen & Reaktionen

Pressestimmen

Serbske Nowiny vom 16. Juli 2010

Jüdische Allgemeine vom 1. Juli 2010


Der Spiegel vom 5. Juli 2010

Neues Deutschland – Literaturbeilage zur Fankfurter Buchmesse vom 6. – 10. Oktober 2010

Geschichten aus einer ausgelöschten Welt: Im Schtetl – Adam Zielinski führt nach Galizien 1935, als die Menschen schon Schlimmes ahnten, aber nichts dagegen unternehmen konnten, als zäh weiterzuleben, um nicht unterzugehen.

 

1935 stirbt Präsident Pilsudski und die Bewohner des Schtetl, einer kleinen Gemeinde in Ostpolen, reagieren verunsichert und bestürzt. Denn Pilsudski galt als vergleichsweise judenfreundlich – wer weiß, was nach ihm kommt? Trotzdem geht das Leben weiter wie bisher: mit Liebe und Hass, Ehebruch und Betrügereien, dem Streit zwischen Kommunisten und Geschäftsleuten. Der kürzlich verstorbene polnisch-österreichische Autor (geboren 1929) lässt die Welt des Ostjudentums noch einmal aufleben. Das gelingt ihm auch. Die Spannung bezieht der Leser allerdings aus der historischen Dimension, dem Wissen um den bevorstehenden Holocaust, der den handelnden Personen natürlich nicht bewusst ist. Ohne diese besondere Sichtweise verliert der Episodenroman deutlich an Glanz. An die Erzählungen von Scholem Alejchem reicht er nicht heran. Da der Titel mutmaßlich der letzte zu diesem Thema sein dürfte, wird er Beständen ab mittlerer Größe empfohlen.
Birgitta Negel-Täuber, ekz.bibliotheksservice

 

Rezension in Literatur-Report, Juli 2011

Rezension Alfred Warnes, Literarisches Österreich 01/2011, S. 66-67