Aus dem Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche übertragen von Viktor Spechtler

672 Seiten, gebunden, bedruckter Vor- und Nachsatz, Lesebändchen
EUR 29,90 / sfr 36,00
 
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Ulrich von Liechtenstein (1200/1210–26.1.1275) ist ein kurioser Autor, ein adeliger Dilettant im besten Sinn des Wortes, der zu seinem Vergnügen und dem seiner Zuhörer dichtete. Ganz im Gegensatz zu den meisten mittelalterlichen Autoren, die von ihren Mäzenen abhängig waren. Sein Roman »Frauendienst« (FD) aus der Mitte des 13. Jahrhunderts ist als erster Ich-Roman in deutscher Sprache aber auch ein kurioser Text, der lange missverstanden worden ist. Daher sollen hier im Anschluss an die Übertragung die wichtigsten Informationen geboten werden.

Ulich von Lichtenstein

Es ist nicht nur zur Einführung, sondern auch zur Erhellung der literarischen Situation um 1250 nötig, die historischen, kulturellen und sozialgeschichtlichen Grundlagen im Hinblick auf das Leben des Autors kurz darzustellen (ausführlich: Ich – Ulrich von Liechtenstein, 1999). Dies darf nicht vom Roman, der ja über Ulrichs politische Tätigkeit keine Auskünfte gibt, ausgehen, sondern von den 94 heute bekannten Urkunden. Denn der FD ist Literatur mit besonderen Texttraditionen und Strukturen und keine Autobiographie, auch wenn das Ich/Ulrich im Mittelpunkt steht – nämlich als stilisierter Minneritter, der sich in Szene setzt, sich selbst zum Vergnügen seines höfischen Publikums inszeniert. Zunächst zur Person des Autors. Die Lebenszeit Ulrichs von Liechtenstein umfasst einen für mittelalterliche Verhältnisse überaus langen Zeitraum. Er reicht über die Regierungszeiten der Babenberger-Herzöge Leopold VI. (1198–1230, seit 1195 auch Herzog der Steiermark) und Friedrich II., den Streitbaren (1230–46), dessen Tod der Autor im FD 1659–1677 beklagt. Darauf folgen die schwierigen Jahrzehnte nach dem Tod des Stauferkaisers Friedrich II. (1250). Dann kam für das Herzogtum Steiermark nach dem Frieden von Ofen 1254 die Herrschaft Belas IV. von Ungarn. Ab 1260 war P emysl Ottokar (von Böhmen) der Landesherr. Erst die Wahl Rudolfs von Habsburg zum deutschen König 1273 leitete eine gewisse Beruhigung ein. Das Herzogtum Steiermark war gemäß dem Georgenberger Vertrag von 1186 in einer besonderen Situation. Er fiel nach dem Aussterben der Otakare im Jahre 1192 an die Babenberger und hatte besondere Vorrechte. Dazu gehörte etwa das Recht der Appellation an den Kaiser. Auf Grund dieser Voraussetzungen und der gesellschaftlichen Veränderungen im 13. Jahrhundert wurde der Ministerialenstand gestärkt. Vor allem in der Steiermark entstand ein neuer »Herrenstand« (Dopsch), der sowohl über entsprechende Herrschaftsbereiche als auch über Burgen und Finanzen verfügte. Beispiele dafür sind die Geschlechter der Orter, Pettauer, Stubenberger, Wildonier und der Liechtensteiner, die sich nach Ulrich in die Judenburger und in die Murauer Linien geteilt haben. Die prominente Stellung der Liechtensteiner war auch dadurch begründet, dass sie, wie wir heute wissen, von den Hochfreien von Traisen-Feistritz (Traisental im mittelalterlichen Österreich) abstammten, deren Hauskloster das Chorherrenstift Seckau in der Steiermark war, in dessen Johanneskapelle Ulrich seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Unser Autor Ulrich I. war der Sohn Dietmars III. (urk. 1164–1218). Dessen Urgroßvater Hartwig von Reidling von der Traisen (gest. 1136) hatte durch seine Heirat mit einer namentlich nicht genanntenTochter Dietmars von Dornberg und Lungau (urk. 1100–1130) reiche Besitztümer in der Obersteiermark und in Kärnten erworben. Dessen Sohn Dietmar I. (urk. 1126–40 von Reidling, 1140–45 von Liechtenstein) verlegte den Familiensitz in die Steiermark und erbaute noch vor 1140 die Feste Liechtenstein bei Judenburg als Sitz der freieigenen Herrschaft, nach der sich das Geschlecht dann nannte. Die Genehmigung des Burgbaues und zur Errichtung der Herrschaft, ein beachtliches Recht im Mittelalter, »bezahlte« er mit dem Eintritt in die Ministerialität, die Lehensabhängigkeit vom Landesherrn. Ulrich erbaute sich dann bei Unzmarkt die von ihm so bezeichnete Frauenburg, deren erhaltene Teile heute noch zu besichtigen sind. Der Dichter hatte vier Geschwister: Otto (Pfarrer von Graz), Dietmar IV. von Offenburg (verh. mit Gertrud von Wildon), Hedwig (verh. mit Dietmar von Steyr) und eine namentlich nicht genannte Schwester, die mit dem österreichischen Kämmerer Heinrich von Wasserburg verheiratet war. Ulrich I. war mit Perchta von Weissenstein verheiratet. Sie hatten vier Kinder: Ulrich II. (urk. 1250-85, verh. mit Kunigunde von Goldegg), Otto II. (urk. 1252-1311, verh. mit 1. Agnes von Wildon, 2. Diemut von Liechtenstein-Nikolsburg aus dem österr. Geschlecht, 3. Adelheid von Pottendorf), Diemut (verh. 1250 mit Wulfing von Trennstein) und Perchta (verh. seit ca. 1260 mit Herrand von Wildon, dem Dichter). Die Heiratspolitik zeigt gute Verbindungen zu bedeutenden Geschlechtern der Steiermark, Österreichs und Kärntens. Ulrich I. war wohl der prominenteste Vertreter des Geschlechts im 13. Jh. und auch unter den steirischen Adeligen. Seine politische Tätigkeit ist aus den 94 erhaltenen Urkunden, die vom 17.11.1227 bis zum 27.7.1274 reichen, gut ablesbar (Ich – Ulrich von Liechtenstein, S. 441–493). Seine Funktionen reichen vom Aussteller, Vertragspartner, Bürgen, Zeugen, Siegler und Schiedsrichter bis zum Vermittler im Auftrag des Landesherrn sowohl im Herzogtum Steiermark als auch in Österreich, in Kärnten und in Krain. Er hatte bedeutende Hofämter der jeweiligen Landesherrn inne: urk. in den Jahren 1244–45 das Hofamt des Truchsessen unter Herzog Friedrich II., 1267–72 das Marschallamt und 1272 das des Landrichters unter P emysl Ottokar. Als Landrichter war er der Vertreter des Landesherrn bei Gerichtsverhandlungen und Landtaidingen. So können wir sagen, dass er weit über sein Territorium hinaus mit den Prominenten seiner Zeit in regem Kontakt stand und auch deren Höfe kannte, das heißt auch die Kultur, Dichtung und Musik der Zeit. Denken wir nur an den Hof von Wien, an dem zum Beispiel Walther von der Vogelweide und Neidhart ihre Lieder in den zwanziger und dreißiger Jahren sangen.
 

 

 

Rezensionen & Reaktionen

Pressestimmen

Der Klagenfurter Wieser Verlag hat deshalb die elegante und informative Reihe »Europa erlesen« gegründet, die verschiedene literarische Visionen einer Gegend oder einer Stadt vorstellt. Bereits die Titel lassen erkennen, daß hier das Unbekannte gleichberechtigt neben das Berühmte tritt. Entworfen werden soll eine kulturelle Anatomie Europas, die den Zusammenhang des Ganzen, aber auch die eigenständigkeit der Teile faßt. Gerade in einer Zeit, die im Osten politische und im Westen ökonomische Grenzlinien zu Fetischen kultureller Identität macht, kommt der Aufmerksamkeit für Randregionen ein gesteigerter Wert zu: In der Schnittmenge von Eigen- und Fremdbild entsteht das unverwechselbare Profil von Gegenden, die sich selbstbewußt in die Vielfalt Europas einpassen.

Neue Zürcher Zeitung

„Echte Kulturmenschen erkennt man in Zukunft daran, ob Sie dieses kleine Büchlein eingesteckt haben.“

Karin Resetarits, ORF

„Eine Einstiegsdroge – ohne diese kleinen Bände mag man gar nicht mehr verreisen.“

Uschi Loigge, Kleine Zeitung

„Handlich, mit Goldprägung und Lesebändchen sind die kleinformatigen Büchlein wahre Kleinodien.“

Tobias Gohlis, Die Zeit