Gedichte 1988 bis 2021
Aus Anlass von Marie-Thérèse Kerschbaumers 85. Geburtstag
ca. 80 Seiten, gebunden, Lesebändchen
EUR 21,00

Reisende

Reisende die ihr vorbeizieht
denkt
alles vergeht so wie ihr
unbewegt nur ziehn die Gestirne
über uns hin
nichts
rührt den Lauf ihrer Bahn
nichts den Klang ihrer Sphären –
ruhend in sich folgen dem Sog sie
des kosmischen Spiels der Ellipsen
das dahin
zieht und kreist
ungerührt –
Verstand
in sich
und aus sich
und UN –

Reisende die ihr vorbeizieht und
denkt
gedenket Unser und
euer gedenkt wenn ihr geht
über Straßen und Plätze
vorbei
an den Schluchten
den schluchzenden BETHäusern
den Kathedralen
den Pforten
Portalen den
strahlenden
Toren hinaus
zu den Vorbergen

Reisende wisset und seht
mit innerem Begreifen
Alles ist –
Nicht-sein ist nicht
und doch ist dem Ist
das Nicht-ist
gegeben
Gutes und Böses
Schuld oder UN –
Vorgebirge und weite
Gebreiten
Sandkorn und Samen
und Steppenwind

Reisende ehe ihr geht
erforscht das Erinnern
fürchtet euch nicht
der alten Fragen
des alten Wissens
gedenket der Erde das alte Gefährt
hält uns und trägt uns
hinaus
seiner Bestimmung entgegen
Urgrund der Fragen
grundloses Ziel

Marie-Thérèse Kerschbaumer: 1936 nahe Paris geboren; Studium der romanischen und deutschen Philologie in Wien (Dr. phil. 1973); seit 1971 freie Schriftstellerin und Übersetzerin; lebt in Wien.