Sämtliche Gedichte
Aus dem Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche
übertragen von Franz Viktor Spechtler
ca. 300 Seiten, gebunden, bedruckter Vor- und Nachsatz,
Lesebändchen, Prägedruck

EUR 14,95 / sfr 21,00

Aus dem Buch:
Es war so weit, als ich zehn Jahre alt erst war

Es war so weit, als ich zehn Jahre alt erst war,

dass ich die Welt schon sehen wollt‘, wie sie denn sei.

Hilflos und arm hab‘ ich gehaust in manchem Land in

Hitze, Kälte unter Christen, Orthodoxen, Heiden.

Drei Pfennige im Beutel und ein Stücklein Brot

nahm ich als Wegzehrung mir mit, als ich ins Elend lief.

Durch falsche Freunde hab‘ ich manchen Tropfen Blut

vergossen seither — ich war nah‘ dem Tode.

Zum Buch
Oswald von Wolkenstein (1376/78-1445) gilt als der berühmteste deutschsprachige Lyriker des späten Mittelalters. Er entstammte der Südtiroler Adelsfamilie Vilanders und Wolkenstein und lebte ab 1417 mit seiner Gattin Margarethe von Schwangau auf der Burg Hauenstein am Schlern, die er nach heftigen Streitigkeiten, die ihn auch ins Gefängnis brachten, erkämpft hatte. 1411 hatte er für sich und zwei Knechte das Wohn- und Unterhaltsrecht im Kloster Neustift erworben und war seither auch in bezahlten Diensten des Bischofs von Brixen. Das Konstanzer Konzil (1414-1418) gab seinem Leben eine besondere Wende: Der dort anwesende König Sigmund nahm ihn am 14. Februar 1415 für 300 Gulden Jahressold in seine diplomatischen Dienste, was den streitbaren Haudegen bei seinen Auseinandersetzungen mit dem Landesherrn Herzog Friedrich stärkte. Er bereiste ganz Europa, wobei er die Ehrungen durch die Königinwitwe Margerita de Prades in Spanien und durch die Gemahlin Karls IV. von Frankreich in seinen Liedern als die Höhepunkte seines Lebens schildert. 1431 finden wir ihn auf dem Reichstag von Nürnberg, wo ihn der König in den von ihm gegründeten Drachenorden aufnahm. Mit dem Kanzler des Königs war er auch auf dem Konzil von Basel, denn damals wurde jedes Konzil zur Hälfte von weltlichen Adeligen beschickt. 1434 ernannte ihn der König zum Beschützer von Neustift, wo er nach seinem Tod am 2. August 1445 auch beigesetzt wurde.
Die 133 Gedichte Oswalds, großteils mit Melodien, also Lieder, umfassen alle Themen der spätmittelalterlichen Lyrik, wobei in mehreren Texten der Einfluss des Mönchs von Salzburg unverkennbar ist. So hat der Südtiroler auch geistliche Lieder geschrieben und sogar lateinische Sequenzen übersetzt, was schon deswegen nicht verwunderlich ist, weil er ja im Kloster Neustift bei Brixen die Liturgie und die Kirchenmusik kennen gelernt hat. Und man konnte ja nur in einem Kloster, in einer bischöflichen oder fürstlichen Kanzlei schreiben und lesen lernen. Berühmt ist Oswald aber durch seine autobiografischen Lieder und durch seine Reiselieder geworden, die es vorher nicht gegeben hat. Die Selbststilisierung des »Ich Wolkenstein« ist einmalig. Die umfangreiche Liebeslyrik spannt den Bogen von den Tageliedern, herkömmlichen Liebesliedern bis zu den Liedern für seine »Gret«, Margarethe von Schwangau.

Franz Viktor Spechtler ist Universitätsprofessor am Fachbereich für Germanistik der Universität Salzburg und hat im Wieser Verlag mehrere Bände mit Übersetzungen veröffentlicht:
Ulrich von Liechtenstein
(2000), Walther von der Vogelweide (2003), Mönch von Salzburg (2004): ferner gemeinsam mit Barbara Maier: Ich – Ulrich von Liechtenstein. Literatur und Politik im Mittelalter. (1999).

Rezensionen & Reaktionen

Pressestimmen

Spechtler, Franz Viktor: Oswald von Wolkenstein: Sämtliche Gedichte. Aus dem Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche übertragen. Klagenfurt: Wieser Verlag, 2007. 305 S., ISBN 978-3-85129-670-9.

 Oswald von Wolkenstein: Lieder. Frühneuhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Ausgewählte Texte. Hg., übersetzt und kommentiert von Burghardt Wachinger. Melodien und Tonsätze hrsg. und kommentiert von Horst Brunner. Stuttgart: Reclam, 2007 (Reclams        Universal- Bibliothek, Nr. 18490). 423 S., III., Not., ISBN 978-3-15-018490-5.

 

Ruiss, Gerhard: »Und wenn ich noch länger schwieg’«. Lieder. Nachdichtungen. Mit den Originaltexten im Anhang. Wien/Bozen: Folio-Verlag (Transfer, Bd. 75), 2007. 190 S., Not., ISBN 978-3-85256-359-6.

 

 

Spicker, Johannes: Oswald von Wolkenstein. Die Lieder. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2007 (Klassiker Lektüren, Bd. 10). 203 S., III., Not., ISBN 978-3-503-09826-2.

 

Obschon kein markanter Jahrestag für oder mit Oswald von Wolkenstein zu vermerken ist, widmeten sich im vergangenen Kalenderjahr immerhin vier Arbeiten diesem Autor und Sänger und seinem Werk. Dies geschah allerdings auf sehr unterschiedliche Weise, für ganz verschiedene Zielgruppen. Die beiden Übersetzungen von Gerhard Ruiss (53 Lieder) und Franz V. Spechtler (Gesamtwerk) bieten den neuhochdeutschen Text für ein an Literatur und/oder am Mittelalter interessiertes Publikum. Spechtlers Band, in der Reihe »Europa erlesen« erschienen, zeichnet sich durch Übertragungen aus, die intensiv den sprachlichen Aufbau und Rhythmus von Oswalds Liedern nachformen. Spicker bezeichnet Ruiss‘ Übersetzungen als »poetische Nachdichtungen«. (S. 35)

Was zu den ganz anderen Auseinandersetzungen mit dem Sujet führt, zu Spickers »Klassiker Lektüren 10« und zu Wachinger/Brunners Liedauswahl in Reclams Universal Bibliothek. Schon die beiden Publikationsreihen zeigen, dass sich die Bände vorwiegend an ein junges, akademisches Publikum wenden. Vor allem durch die von Brunner edierten Melodien, deren »Darbietung« sich an »der praktischen Musizierbarkeit« orientiert, erweitert sich hier das Zielpublikum um eine Reihe von Musikinteressierten. Alle drei Autoren sind ausgewiese­ne Wolkenstein-Spezialisten, was u.a. die jeweiligen Bibliographien erweisen. Wachinger hat vor dieser neuen, 41 Lieder umfassenden Ausgabe, bereits früher kleinere Auswahlcorpora vorgelegt (1964, Neuaufl. 1980, 2006). Die Kriterien der Auswahl für den vorliegenden Band sind die literarische Qualität der Lieder, die Vielfalt der Themen und Typen, welche allerdings nicht lückenlos berücksichtigt werden. (S. 316/317) Die Ordnung der Lieder folgt drei Großthemen bzw. Kategorien: Weltliche Lieder, autobiographische Lieder, moralisch- geistliche Lieder. Die autobiographischen Lieder richten sich in ihrer Abfolge nach der rekonstruierten Chronologie. Erstgenannter Typ ist unterteilt in: »Ich-Lieder«, Lieder der »feinen Liebe«, Liebesdialoge, Tagelieder, jene der »niederen Minne« und die Trinkszenen. Hier ist die Begrifflichkeit punktuell etwas verwirrend. Im Anhang findet sich zu jedem Lied ein Kommentar, der auf jeden Fall auf die Überlieferung, die Melodie und metrische Form eingeht und die zentrale Forschungsliteratur vermerkt. Je nach den Gegebenheiten des literarischen Textes bietet der Kommentar punktuell auch Informationen zu Typus, Vorlagen, Quellen, Datierung und zum biographischen Hintergrund.

Der besonders große Ertrag dieser Ausgabe ist in der Edition der Melodien zu sehen. Diese ist in einer Form vorgenommen, die direkt in die musikalische Tat umgesetzt werden kann. Sie ist nicht als Randbemerkung in den Anhang verwiesen, sondern im Gegenteil, die Melodie begleitet jedes Lied, das mit dem frühneuhochdeutschen Text und seiner neuhochdeutschen Übersetzung geboten wird.

Selbstredend fehlen die Basisinformationen zu Gesamtüberlieferung, Oswalds Biographie und zu den eigenen Editionsgrundsätzen nicht. Die Bibliographie bietet »Allgemeine und mehrfach zitierte Literatur«, die wesentlich aus den letzten acht Jahren und aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammt. Unter dem Titel »Ausgaben« bleiben die Faksimiles unberücksichtigt und darüber hinaus fehlt eine Diskographie; dies erstaunt hier etwas, da an verschiedenen Stellen betont wird, dass die Musizierbarkeit ein wesentlicher Aspekt sei. Da wäre eine Auflistung der vorhandenen Vorschläge für die Aufführung der Lieder ein hilfreicher Beitrag gewesen.

Solch eine Liste ist auch bei Spicker nicht vorhanden, aber in das Kapitel »Künstlerische Wirkung« sind die Angaben dazu sehr umfassend eingeflossen (S. 29/30). Solch ein Rezeptionskapitel steht zumeist am Ende eines Werkes. Spicker setzt es an die dritte Stelle seiner umfassenden Einführung in Oswalds Oeuvre, nach seinen einleitenden Worten (hier wird der Weg Oswalds zum »Klassiker« in den 1970er-Jahren skizziert) und nach der Lied- und Werküberlieferung. Im Anschluss nimmt die Forschungsgeschichte erfreulich breiten Raum ein; sie führt die/den Leser/in zu den ersten Ausgaben und Übersetzungen, über alle Erkenntnis- und Irrwege der linearen Biographisierung des Werkes hin zur neueren Oswald-Forschung, die die komplexe, artifizielle, stilisierende Relation von »Dichtung und Wahrheit« erkennt und benennt, die sprachlichen und musikalischen Spezifika in den Fokus stellt. Exemplifiziert wird dies am »Forschungsparadigma ‚Ehelieden«. Es folgen die Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Liedtypen. Gegen die traditionelle Terminologie führt Spicker zwölf, z.T. neuartige Kategorien ein, die zwar herkömmliche, wie »Tagelied«, »Trinklied« u.ä. aufgreifen, aber auch interessante Neuschöpfungen wie »Körperbeschreibungslieder« beinhalten. Was insgesamt positiv auffällt und am angefügten »Liedregister« weitgehend (z.B. wären bei Lied 38 noch S. 97 und S. 101 zu ergänzen) nachzuvollziehen ist: Die Lieder werden nicht eindimensional einer Gruppe zugeordnet, sondern der Autor trägt der Tatsache Rechnung, dass manche Werke typenübergreifenden Inhalts sind. Die Überlegungen sind von zahlreichen Textbeispielen belegt und begleitet, was zur »Klassiker-Lektüre« wohl gehört. Den didaktischen und allgemein informativen Wert des Bandes steigern die Hinweise auf die weiterführende Literatur bzw. die »Zusammenfassungen« am Ende der Unter- bzw. der Gesamtkapitel. Das Literaturverzeichnis gewährt Einblick in den gesamten Zeitraum, in dem Oswald als Forschungsgegenstand eine Rolle spielt, von der ersten Ausgabe bis zum neuesten Werk der künstlerischen und der wissenschaftlichen Rezeption.

Wie die genannten Werke zeigen, bleibt Oswald ein Thema für alle Bereiche der Rezeption.

Siegrid Schmidt, Salzburg (Österreich)

 

Rezension(en) erschienen in:

Max Matter & Nils Grosch (Hrsg.)

Lied und populäre Kultur/Song and Popular Culture

Jahrbuch des Deutschen Volksliedarchivs, Band 54 — 2009
Waxmann Verlag
Münster/New York/ München I Berlin
470 S., br., mit zahlreichen Abbildungen, 39,90 €
ISBN 978-3-8309-2095-3
ISSN 1619-0548

Der Klagenfurter Wieser Verlag hat deshalb die elegante und informative Reihe »Europa erlesen« gegründet, die verschiedene literarische Visionen einer Gegend oder einer Stadt vorstellt. Bereits die Titel lassen erkennen, daß hier das Unbekannte gleichberechtigt neben das Berühmte tritt. Entworfen werden soll eine kulturelle Anatomie Europas, die den Zusammenhang des Ganzen, aber auch die eigenständigkeit der Teile faßt. Gerade in einer Zeit, die im Osten politische und im Westen ökonomische Grenzlinien zu Fetischen kultureller Identität macht, kommt der Aufmerksamkeit für Randregionen ein gesteigerter Wert zu: In der Schnittmenge von Eigen- und Fremdbild entsteht das unverwechselbare Profil von Gegenden, die sich selbstbewußt in die Vielfalt Europas einpassen.

Neue Zürcher Zeitung

„Echte Kulturmenschen erkennt man in Zukunft daran, ob Sie dieses kleine Büchlein eingesteckt haben.“

Karin Resetarits, ORF

„Eine Einstiegsdroge – ohne diese kleinen Bände mag man gar nicht mehr verreisen.“

Uschi Loigge, Kleine Zeitung

„Handlich, mit Goldprägung und Lesebändchen sind die kleinformatigen Büchlein wahre Kleinodien.“

Tobias Gohlis, Die Zeit