Roman
Bulgarisch-Deutsch
Aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann
ca. 130 Seiten, gebunden
EUR 14,80/sfr 25,80
ISBN-10 3-85129-662-1
EAN 9783851296624
In Cooperation mit der Bank Austria Creditanstalt.
Aus dem Buch
Und bist du jemals glücklich gewesen, Mama, hatte sie sie einmal gefragt, und Christina hatte wirklich gelacht, und in ihren Augen war sogar ein schelmischer Glanz aufgetaucht — ja, als ich ein Kind war — ich sammelte für mein Leben gern Marienkäfer in einer Streichholzschachtel — ich vergrub mich gerne im Grün der Sträucher — dort herrscht eine andere Stille — die Stille der Sträucher — man hört ganz verschiedene Geräusche, das Summen von Fliegen und Bienen, das Vorbeifliegen eines Käfers, das Flattern eines Spatzen in den Blättern — ich war sehr klein und stand mit nach oben gerecktem Gesicht da — und das Grün und das Blau des Himmels vermischten sich, und ich sah einen Marienkäfer und nahm ihn auf meinen Finger, er hinterließ hinter sich eine gelbliche Flüssigkeit, die nach Erde roch, nach Gras, nach Wald, und dann legte ich den Marienkäfer vorsichtig in die Streichholzschachtel, und ja, dann war ich glücklich. Liebst du mich, Mama?
Und hast du Vater geliebt? Nein, natürlich nicht.
Theodora Dimova, geboren 1960 in Sofia, Bulgarien. MA der Universität Sofia in English. Arbeitet in der Abteilung für Schauspiel im nationalen bulgarischen Radio.
Aufgeführte Stücke: Die Unschuldigen (Bühnenversion des Romans Die Mütter), Schlangenmilch, Die Hexe, Ohne Haut, Der Stopper…
Rezensionen & Reaktionen
Pressestimmen
Im Jahr 2006 haben Bank Austria, Kulturkontakt Austria und der Wieser Verlag den Bank Austria Literaris ins Leben gerufen. Ziel der Auszeichnung, die alle zwei Jahre vergeben wird, ist es, Werken von Autorinnen und Autoren aus dem Osten und Südosten Europas im deutschsprachigen Raum Gehör zu verschaffen und so auf die spannende, literarische Vielstimmigkeit dieser Region hinzuweisen.
Diesem Ziel wird Rechnung getragen, indem die drei Siegertitel ins Deutsche übersetzt und im Wieser Verlag publiziert werden.
Aus einem Gespräch mit der Preisträgerin Theodora Dimova
Ihr Text »Die Mütter« handelt von der Mutter-Kind-Beziehung. Wie haben Sie das Thema gefunden?
Dimova: Die Geschichte basiert auf einem Mordfall, der sich 2004 zugetragen hat. In Plovdiv haben zwei vierzehnjährige Mädchen ihre Mitschülerin getötet. Die Zeitungen waren voll damit und mit Geschichten von Gewalt von Kindern. Wie kommt es, dass Kinder so gewaltsam werden? Die beiden Vierzehnjährigen kamen nicht aus zerrüttetem Umfeld. Ihre Familien waren ziemlich normal, nicht arm, nicht reich.
Was ist der Grund für die Gewalttätigkeit?
Dimova: Nun, es hat mit der Zeit des Übergangs in Bulgarien zu tun. Das waren die Jahre zwischen dem Fall des Kommunismus und dem Entstehen der Demokratie. Es war eine harte Zeit, die Not war groß. Eltern waren mit Demonstrationen, Arbeitslosigkeit, Armut und Emigration beschäftigt. Kinder brauchen aber einen Kokon aus Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit, um gesund aufzuwachsen. Und das haben sie nicht bekommen. Die Eltern waren zu beschäftigt, ihr Leben zu bewältigen.
Der Roman beschreibt sieben Kinder und die Beziehung zu ihren Müttern. Am Ende töten sie ihre Lieblingslehrerin. Zwar sind die Kinder die Mörder, in Wirklichkeit ist es aber die Gesellschaft. Die Mütter sind Symbol für die bulgarische Gesellschaft und den Zusammenbruch der Werte. Und die Lehrerin symbolisiert einen Engel.
Glauben Sie an Engel?
Dimova (zögert): Ja. Jeder hat einen Schutzengel. Und Literatur ist eigentlich die Verbindung zwischen Erde und Himmel.
(BANK EXKLUSIV 6/2006, Magazin für Kunden der BA-CA)
Fotogalerie
Fotos zum Buch auf flickr.