Aus dem Englischen von Inanc Atilgan
134 Seiten, englische Broschur
EUR 19,80/sfr 33,60
ISBN-10 3-85129-535-8, EAN 9783851295351
Zum Buch
Europa ist auf dem Weg, seine tiefen Furchen aus der Vergangenheit zu überwinden. Europa zeigt sich gewillt, alte Trennlinien, durch Kriege und »ethnische Säuberungen« entstanden, zu überwinden. Europa proklamiert, dass in der Vergangenheit entstandenen Vorurteilen durch sachliche Aufarbeitung und wissenschaftliche Einschätzung der Boden entzogen werden soll. Die gemeinsame Zukunft soll nicht durch die getrennte Vergangenheit beeinträchtigt werden. In diesem Sinne bemüht sich der Wieser Verlag mit der Herausgabe dieses Buches zur Armenierfrage auch einen anderen türkischen Blick lesbar zu machen, um sie zur Diskussion zu stellen, nicht zuletzt auch von dem Wunsch getragen, dieses belastete und belastende Thema zu enttabuisieren. Zu viele Tragödien basieren auf der ständigen Wiederholung alter Schuldzuweisungen, denen es gemeinsam ist, dass sie nicht die Zukunft des Kontinents und der Menschen im Auge haben. Es gibt keine Region, es gibt kein Land, das nicht von gewaltsamen Auseinandersetzungen und Grenzziehungen gezeichnet ist und wo nicht bis heute laut oder unterschwellig Abrechnungen vorgenommen werden.
Ich werde mich mit meinem Verlag weiterhin um Publikationsmöglichkeiten bemühen, damit diese überfällige Debatte erfolgt — auch dann, wenn ich dem Inhalt der von mir publizierten Bücher nicht oder nicht unbedingt zustimmen oder mit ihm nicht konform gehen sollte, solange es Texte und Abhandlungen sind, die von dem Wunsch getragen werden, zum Aufeinander-zugehen der Menschen beizutragen, und die Menschen nicht noch mehr auseinandertreiben. Als Verleger bin ich kein Zensor.
Es kommt auch nicht auf das gebetsmühlenartige Wiederholen, welches Unglück in der Vergangenheit den Menschen zugefügt wurde, an. Dies zu ändern ist uns durch das Faktische der Vergangenheit genommen; es ist geschehen, mit allen seinen Ungerechtigkeiten und Katastrophen, und dafür bezahlen wir noch heute. Meine Funktion als Verleger sehe ich darin, den zaghaften Versuch zu unternehmen, das Aufeinanderzugehen zu gestalten. Wir sind nicht nur dazu da, die Geschichte zu interpretieren, sondern aus ihr Wege abzuleiten, die Welt zu ändern, und Bedingungen zu schaffen, damit die Menschen sich verstehen, sich achten und miteinander friedlich umgehen und zukünftigen Kriegen, »ethnischen Säuberungen« und Vernichtungen in Konzentrationslagern der Boden entzogen wird.
Dazu beizutragen wird auch weiterhin mein Interesse sein, um mich nicht mitschuldig zu machen: nicht als Akteur der Vernichtung, nicht als Mitläufer und schon gar nicht als Befehlsempfänger, der nur seine vermeintliche Pflicht getan hat. Eine beschämendere Bankrotterklärung als diese gibt es nicht, und sie ist meine Sache nicht. Darum wage ich mich auch an Themen, die vielleicht jahrzehntelang tabuisiert, einseitig, sektiererisch oder apologetisch abgehandelt wurden.
Denn, wie die Beduinen sagen: »Vor mir geht die Vergangenheit, hinter mir die Zukunft.« In diesem Sinne wünsche ich diesem Buch, dass es zu einer offenen und ehrlichen Debatte beiträgt.
Lojze Wieser
Univ-Prof. Dr. Yusuf Halacoglu ist ein Historiker, der in der internationalen Fachwelt eine außerordentliche Anerkennung genießt. Er behandelte u. a. Themen wie die Siedlungspolitik innerhalb des Osmanischen Reiches oder die sozialen, ökonomischen und demografischen Eigenschaften einiger osmanischer Städte in Südosteuropa. 1898-1992 war er Generaldirektor des Osmanischen Archivs des Staatsarchivs der Republik Türkei; seit September 1993 Präsident der Türkischen Historischen Gesellschaft, die weltweit als wichtigste akademische Forschungsstätte für die türkische Geschichte gilt.
Rezensionen & Reaktionen
Pressestimmen
Osteuropa, 57. Jahrgang, Heft 11 vom November 2007, S. 271-273
Zeitschrift für Politikwissenschaft 4/2007, S. 1461