Deutsch-Italienisch
ca. 200 Seiten, gebunden Vor- und Nachsatz Lesebändchen, Prägedruck
EUR 14,95 / sfr 21,00

Zum Buch
Sein Notizbuch über New York hat Gerhard Kofler in hundert Eintragungen, die sich über genau ein Jahr verteilen, zu Papier gebracht. In diesen kurzen Stücken, die zwischen Lyrik und Prosa, zwischen Liebeserklärung und kritischer Beobachtung wechseln, erinnert sich Kofler an einen USA-Aufenthalt im Jahr 2001 und an eine Reise nach New York kurz nach dem Attentat vom 9. September. Dabei schweift er immer wieder zurück in seine Kindheit und Jugend, schildert die ersten Eindrücke vom fernen Land, das für Italien als Emigrationsziel besondere Bedeutung hatte. In einem Wiener Starbucks-Cafe sinnt er den Harlem Globetrotters ebenso nach wie dem Fernsehreporter Ruggero Orlando, der die Mondlandung kommentierte, und natürlich ist häufig von amerikanischer Literatur und Musik die Rede, die der junge Kofler lieben lernte. In einer Zeit, da der Antiamerikanismus hof- und stammtischfähig geworden ist, führt uns Kofler vor, wie eine bald naive, bald wissende Zuneigung möglich ist, die zwischen den verschiedenen Amerikas sehr wohl zu unterscheiden versteht.

Aus dem Buch

L’ISOLA DELLE LACRIME
15 settembre 2004
None il sale del mare, ma il pianto soffocato degli emigranti non accettati ai piedi della Libertä impietrita. Ellis Island, l’isola delle lacrime, foruncolo velenoso della burocrazia. Isola vagante nel mondo, penitenziario dei nostri sogni, per darci un autunno senza New York, per darci un timbro nell’animo e dirci: siete fogli timbrati, fogli in caduta libera, fogli-foglie senza radici, messaggi in bottiglia senza spiaggia. Ellis Island, recinto in difesa della ricchezza, filo spinato per la fantasia. Passavo in traghetto, innamorato e triste. Ero fuori controllo, ma mi osservava il dolore che non poteva capire. 

DIE INSEL DER TRÄNEN
15. September 2004
Es ist nicht das Salz des Meeres, sondern die erstickte Klage der nicht aufgenommenen Emigranten zu Füßen der versteinerten Freiheit. Ellis Island, die Insel der Tränen, giftiger Furunkel der Bürokratie. In der Welt umhertreibende Insel, Strafanstalt unserer Träume, die uns einen Herbst ohne New York gibt und einen Stempel auf die Seele drückt mit den Worten: Ihr seid gestempelte Blätter, Blätter im freien Fall, ohne Wurzeln, Flaschenpost ohne Strand. Ellis Island, Schutzwall zur Verteidigung des Reichtums, Stacheldraht für die Phantasie. Verliebt und traurig glitt ich auf der Fähre vorüber. Ich war außer Kontrolle, doch der Schmerz, den ich nicht verstehen konnte, beobachtete mich.

COME USO GERTE PAROLE
8 ottobre 2004
A parte il fatto irremovibile, che la distanza possa essere espressa in misura precisa tra un punto e l’altro, io questa parola la uso più volentieri per quello che mi creo. Cosicché la distanza è attiva se appunto sono io che la uso e che la attivo, mentre la lontananza mi è passiva e dunque spesso anche sofferenza, l’inevitabile: »Vurria turna da te pe’n ora sola, Nabule mia.«
Succede naturalmente anche su questo taccuino che a volte invece di trovarmi la distanza, mi sento solo lontano o solo e lontano. Ma non è la cosa che mi sono proposto di cercare, non è la spinta iniziale. La spinta che tutt’ora mi fa girare tra queste righe è proprio questo grande sollievo dell’arte, di poter prendersi le distanze per avvicinarsi con loro in un modo sorprendente. Se non c’è più sorpresa per uno scrittore o un poeta, costui dovrebbe smettere di scrivere (o di leggere in
pubblico o di recitare le sue opere).
Scrivere a distanza su Nuova York non si esaurisce nel lamento della lontananza (giacché è più lontana Stoccolma con quei prezzi che ci chiedono lì). Ci si può soffermare un po‘ sul lamento e anche ritornarci qualche volta, ma ogni scrittore o poeta in fondo dovrebbe ammettere che senza crearsi la distanza non ci si avvicina a niente, né in letteratura, né in poesia. (Oggidì devo fare questa distinzione, perché se no, subito si dimentica la poesia, c’è attualmente purtroppo troppo poca poesia in letteratura.)
Giocando direi: mi sono distinto d’istinto a distanza e — come me — non mi leggerete più vicino di così.

WIE ICH BESTIMMTE WÖRTER VERWENDE
8. Oktober 2004
Abgesehen von der Tatsache, daß die Entfernung zwischen zwei Punkten mit exaktem Maß ausgedrückt werden kann, verwende ich dieses Wort lieber für jene Dinge, die ich mir selbst erschaffe. Insofern ist die Entfernung eine Tätigkeit, weil ich es bin, der sie gebraucht und aktiviert, während die Ferne für mich passiv und daher oft ein Leiden ist, etwas Unvermeidliches: »Zu dir möchte‘ ich zurück, sei’s auch nur für eine Stunde, mein geliebtes Neapel.«

Im Wieser Verlag erschienen:
Poesie von Meer und Erde! Poesie di mare e terra (2000), Poesie von Meer, Erde und Himmel/Poesie di mare, terra e cielo (2003) und WaNotizbuch der Wasserrosen/Taccuino delle ninfee (2005). Trilogie neu antik/Trilogia nuova antika (2006).

Gerhard Kofler, geboren 1949 in Bozen, Italien, lebte als freier Schriftsteller, Literaturkritiker und Generalsekretär der Grazer Autorinnen Autoren Versammlung in Wien. Er schrieb Lyrik und Essays in Italienisch und Deutsch sowie einen Gedichtband in spanischer Sprache und zwei Sammlungen im neapolitanischen Dialekt. Bisher erschienen zwölf Gedichtbände und ein Band mit Kurzprosa. Mehrere Literaturpreise und Stipendien. Gerhard Kofler starb am 2. November 2005 in Wien.

Rezensionen & Reaktionen

Pressestimmen

Der Klagenfurter Wieser Verlag hat deshalb die elegante und informative Reihe »Europa erlesen« gegründet, die verschiedene literarische Visionen einer Gegend oder einer Stadt vorstellt. Bereits die Titel lassen erkennen, daß hier das Unbekannte gleichberechtigt neben das Berühmte tritt. Entworfen werden soll eine kulturelle Anatomie Europas, die den Zusammenhang des Ganzen, aber auch die eigenständigkeit der Teile faßt. Gerade in einer Zeit, die im Osten politische und im Westen ökonomische Grenzlinien zu Fetischen kultureller Identität macht, kommt der Aufmerksamkeit für Randregionen ein gesteigerter Wert zu: In der Schnittmenge von Eigen- und Fremdbild entsteht das unverwechselbare Profil von Gegenden, die sich selbstbewußt in die Vielfalt Europas einpassen.

Neue Zürcher Zeitung

„Echte Kulturmenschen erkennt man in Zukunft daran, ob Sie dieses kleine Büchlein eingesteckt haben.“

Karin Resetarits, ORF
 
„Eine Einstiegsdroge – ohne diese kleinen Bände mag man gar nicht mehr verreisen.“

Uschi Loigge, Kleine Zeitung

„Handlich, mit Goldprägung und Lesebändchen sind die kleinformatigen Büchlein wahre Kleinodien.“

Tobias Gohlis, Die Zeit

Buchkritik:

http://www.buchkritik.at/kritik.asp?IDX=4895