Ein Fragment

Viertes Buch

ca. 180 Seiten, gebunden, Schutzumschlag, Lesebändchen

EUR 18,80 / sfr 32,80

Über das Buch:

Tuskulum ist eine fulminante Tour d’Horizon durch die Geschichte und die Poetik. Im Lichte der Historie führt Marie-Therese Kerschbaumer einen ganz gegenwärtigen Diskurs zum Verhältnis von Literatur, von Sprache und Gesellschaft: »(Es gab Zeiten, da wirkte die Lehre der Geschichte der Wörter als Initiation für Lehren aus der Geschichte einer Region oder Epoche.) Wörter sind Zeichen, sie sagen etwas über Siege oder Niederlagen in der Geschichte eines Volkes oder einer Zahl von Völkern, die sie gebrauchen.«

Aus dem Buch:

Von der Abbildung der Wirklichkeit zur Idee von Wirklichkeit. Die bereits mit der Photographie in Konkurrenz stehende Malerei. Der Beginn des Kubismus. Noch stehen ihr Elemente des Figuralen, die sie in ihre geometrischen Flächen hereinnimmt, zur Verfügung. Streng ist die Anordnung aus Geometrie und Farbe. Oftmalige Betrachtung fordert und bringt eine Erschließung der Bilder. Immer neu ist die Entdeckung von Formen und Inhalten dieser nüchtern wirkenden und doch rätselhaften Bilder. Anders als die nonfigurale Malerei, die fröhlich wirkt oder flach, je nachdem. Aber ist nicht diese immer neue Entdeckung anderer Formen allen Kunstbetrachtungen, will sagen Betrachtern, eigen? Je beigegeben, beinahe naturgemäß? Naturgemäße, unabschließbare Auslegung eines betrachteten Gegenstandes oder Faktums, der oder das nicht Natur, sondern Gemachtes, also Machwerk, selbst Kunst ist, ein von Menschen erzeugtes Erzeugnis. Da, wo Natur das Bewußtsein ihrer selbst erlangte und sich selbst auf höchstem Niveau und Ausprägung weiß, in der Wahl der Möglichkeiten nach den Prinzipien des Schönen, tritt Natur mit ihrem Gegenteil, Kunst, in unabschließbaren Dialog. Was ist das Schöne, das ich suche? Was ist das Schöne, das sich mir darbietet, durch Zufall oder Kalkül?

Über die Autorin:

Marie-Therese Kerschbaumer, 1936 nahe Paris geboren; Studium der romanischen und deutschen Philologie in Wien (Dr. phil. 1973). Seit 1971 freie Schriftstellerin und Übersetzerin.

Marie-Therese Kerschbaumer im Wieser Verlag:

Neun Canti auf die irdische Liebe (1989), Die Fremde (1992), Ausfahrt (1994), Fern (2000), Versuchung (2002), Orfeo (2003), Neun Elegien (2004), Calypso. Uber Welt, Kunst, Literatur (2005), Der weibliche Name des Widerstands (2005), 13-bandige Werksausgabe. Mit einem Essayband von Hans Holler (2007, Der Schwimmer. Versuchung. Ausfahrt. Die Fremde. Fern. Der weibliche Name des Widerstands. Orfeo. bilder immermehr. Calypso. Über Welt, Kunst, Literatur. Neun Canti auf die irdische Liebe. Neun Elegien / Nueve elegias. Wasser und Wind, Gedichte. Alle Bände sind auch einzeln lieferbar).

Rezensionen & Reaktionen

Pressestimmen

Literatur und Kritik Nr. 437/438 vom September 2009, S. 77-79

WeiberDiwan 01/2010

Marie-Thérèse Kerschbaumer

 

Gespräche in Tuskulum.
Ein Fragment.
Klagenfurt/Celovec: Wieser Verlag, 2009.
Leinen mit Schutzumschlag; 178 S.; Euro 18,80.
ISBN-13 978-3-85129-855-0.

Marie-Thérèse Kerschbaumer, die Grande Dame der österreichischen Literatur, ist in der Prosa und Lyrik gleichermaßen firm. Nun legt sie zu ihrem umfangreichen Opus ein weiteres Werk, das sie „Ein Fragment“ nennt, vor, die „Gespräche in Tuskulum“.

Die Dichterin ist bekannt für ihre Sympathie für das Altgriechische, das Altphilologische überhaupt, für ihr ausgeprägtes lateinisches Formgefühl und ihren sicheren Stil samt bezughabender humanistischer Bildung. Ihr Grundvertrauen in die Poesie kommt auch in den „Gesprächen“ zum Zug. Eine weitere Eigenheit der Kerschbaumer-Texte ist das beziehungsreiche Einstreuen von Zitaten. In den „Gesprächen“ stammen sie beispielsweise von Cicero, Dante Alighieri, Eliot, Platon und Shakespeare, aber auch von Schreibern aus unseren Gefilden und Zeiten, Heidi Pataki, Gerhard Kofler oder Thomas Mann sogar.

Das neue Buch lässt sich nicht im eigentlichen Sinn nacherzählen, weil es jede Inhaltsangabe und Textsorte locker sprengt. Der Begriff Enzyklopädisches Tagebuch käme noch am ehesten in die Nähe dessen, was uns die Poetin vorlegt. Es ist eine fulminante Tour d’Horizon durch die Geschichte und Poetik.

Marie-Thérèse Kerschbaumer führt einen großen Diskurs zum Verhältnis von Literatur, Sprache und Gesellschaft. Politik im weitesten Sinn klingt an. Die Umwelt und ihre Beschädigungen durch die Krone der Schöpfung werden thematisiert. Tröstlich dann die Wörter Frühlingsluft, Gemüsekarren oder Landschaft und viele andere. Ihre Assoziationsprosa kommt schon auf den ersten Seiten in Schwung, der bis zum Ende anhält, so dass sich die Leser trotz Informationsfülle auf den Zeilen kurzweilig weiterbewegen können, wobei der Dichterin erstaunlicherweise eines gelingt: Nie kommt das Gefühl auf, sie prunke mit ihrem Wissen. Vielleicht ein bisschen mit ihrem Können, aber das steht ihr zu.

Der literarische Aktionsradius, der an einigen Stellen auch ins (Staats-)Philosophische und sein Gegenteil reicht, ist erstaunlich. Kerschbaumer schreibt beispielsweise über die schändlichsten Eroberer, jene, die zu allen Zeiten auf die Sprache der Unterlegenen zielten, auf das radikale Verschwindenmachen der Spuren der Vergangenheit und dann wiederum leitet sie nach Irakkrieg und chinesischer Dichtung den US-amerikanischen Kongress von der Klassik ab: „…ein Spiegelbild der Antike: Senat, Repräsentantenhaus.“ Und wer es noch nicht gewusst hat, erfährt, welchen Fabrikats die Marken Mundus oder Montblanc sind.

Im Buch heißt es: „Ich schreibe dir aus jenem Punkt im Raum, von dem gesagt wird, er sei das Jetzt, das nun überall ist, und vor allem.“ An diesem Punkt sei gesagt, dass Marie-Thérèse Kerschbaumer aus sprachlicher, inhaltlicher und formeller Sicht ein sehr jetziges Buch geschrieben hat.

Zuletzt sei noch ausdrücklich festgehalten: Es ist angenehm, dass diese Autorin der sogenannten alten Rechtschreibung den Vorzug gibt. Diese Tatsache veranlasst mich dazu, ohne Schwärmerei zu konstatieren, dass hier ein Buch in richtiger Sprache geschrieben wurde.

Janko Ferk
20. Juli 2009

www.literaturhaus.at